28. Juli 2017

USB-Stick, Ultra-HD-Blu-Ray und auch die Musikkassette gehören zu einer Familie. Sie sind alle Zweige desselben Stammbaums. Ihr gemeinsamer Vorfahre ist die Lochkarte. Zwischen den Speichermedien von damals und denen von heute liegen 130 Jahre und zehn bahnbrechende Weiterentwicklungen. Die nächste könnte die letzte sein. Denn: Brauchen wir in einer vernetzten Zeit überhaupt noch Datenträger?

Doch der Reihe nach. Ziemlich am Anfang steht Hermann Hollerith. Der spätere Gründer von IBM gilt als Erfinder der Lochkarte. Zur Volkszählung in den USA 1890/1891 wurden zum ersten Mal Lochkarten im großen Stil eingesetzt. Es war der Beginn der maschinellen Datenverarbeitung, bei der sich lange Zeit nichts tat.

Denn erst 40 Jahre später nahm die Entwicklung einen nächsten Schritt. Der deutsche Computer-Erfinder Konrad Zuse griff für seinen Z1 nicht auf Lochkarten zurück, sondern auf Lochstreifen. Während die Karten von der Fläche begrenzt waren, war die Länge der Streifen variabel. Bereits im 18. Jahrhundert wurden sie zur Steuerung von Webstühlen eingesetzt.

Fast parallel dazu – noch vor dem Zweiten Weltkrieg – begannen IBM in den USA und AEG in Deutschland mit der Herstellung von Magnetbändern, wie wir sie aus Musik- oder Videokassetten kennen. Allerdings ohne, dass es einen einheitlichen Industriestandard gab. In den 1950er-Jahren traten diese ihren weltweiten Siegeszug an. Nostalgiker schwärmen bis heute von der Liebesbeziehung, die ein Bleistift mit einer ausgeleierten Musikkassette einging. Oft garniert mit dem Hinweis, dass jüngere Menschen das nie verstehen werden.

Es folgten Disketten, zunächst mit weicher, dann mit harter Schale und schließlich die CD. Bis heute hält sich die Legende, dass die Datenmenge auf einer herkömmlichen Audio-CD sich an der Länge von Beethovens Neunter Sinfonie orientiert. Sonys damaliger Norio Ōga war nicht nur Beethoven-Bewunderer, sondern sogar ausgebildeter Opernsänger. Er wünschte sich, die Neunte ohne Wechseln des Tonträgers zu hören. Die Entwickler machten die Scheibe daraufhin etwas größer und erhöhten die Spieldauer auf 74 Minuten. Dabei orientierten sie sich an der längsten Aufnahme, nicht an der populärsten. Denn die dauerte nur magere 66 Minuten.

Was viele nicht wissen: Die CD ist ein konzertiertes Gemeinschaftsprojekt der Industrie. Denn bei den Magnetbändern gab es mehrere Technologien, die nebeneinander um die Gunst der Kunden rangen. Die erste kommerzielle Audio-CD war „The Visitors“ von Abba. Sie kam 1979 auf den Markt. Knapp zehn Jahre später wurden in Deutschland bereits 40 Millionen CDs pro Jahr verkauft. Ein letzter Versuch, die Diskette zu retten, ging schief. Die Zip-Disketten von iomega hatten zwar die Kapazität von zehn CDs, bleiben aber nicht mehr als eine Randnotiz in dieser Geschichte. 

Daten werden zwar bis heute auf Rechnern gespeichert und auf Sticks durch die Gegend getragen. Alte Gewohnheiten sind schwer totzukriegen. Beispiel Musik: Erst 2015 löste das Digitalgeschäft erstmals die physischen Tonträger als führendes Medium ab. 2016 wurden weltweit 7,8 Milliarden Dollar mit Downloads und Streams erlöst. CDs, Kassetten und Platten spielten immerhin noch 5,4 Milliarden ein.

Dennoch bleibt die Frage, ob Silberscheiben und leistungsstarke USB-Sticks, mit Kapazitäten von mehreren hundert Gigabyte, noch eine Zukunft haben oder ob Daten künftig allein aus der Cloud kommen werden? Dazu muss man zunächst ein begriffliche Unterscheidung kennen: USB-Sticks oder Blu-Ray-Discs gelten als Datenträger. Die Cloud findet verteilt auf verschiedene Rechenzentren statt, was dann unter Datendienste läuft.

Schaut man von der Anwenderseite darauf, so fließen die Begriffe wieder zusammen. Klar, die gute alte Vinyl-Schallplatte ist nicht tot zu kriegen. Das zeigte sich zum Beispiel vor ein paar Jahren, als Ikea sein Expedit-Regal überarbeitete und sich kurz darauf genötigt sah, eine Stellungnahme zu veröffentlichen: Ja, auch im Nachfolger namens Kallax hätten LPs Platz, legten die Schweden sich besänftigend ins Mittel.

Doch dem Digital Native scheint es egal, ob der Film aus dem Regal oder vom Streaming-Dienstleister kommt. Er rennt nicht mehr mit der SD Memory Card ins Fotogeschäft, weil er die Bilder vom Handy direkt in die Cloud gibt. Ohne Frage ein Fortschritt. Nach einem Gruppenausflug alle Freunde mit Foto-Abzügen zu versorgen, war schon immer die Wurzelkanalbehandlung ohne Betäubung unter den Freundschaftsdiensten.

Die Blu-Ray, 1996 entwickelt, erfasst so viel Daten wie 106 Millionen Lochkarten. Moderne SD-Karten könnten sogar 25 Milliarden Lochkarten ersetzen. Freilich ist dieser Vergleich genau so sinnvoll, wie die Leistungsstärke einer Raumfähre in Pferdestärken anzugeben. Als würde man je 35 Millionen Pferde vor die Rakete spannen.

Forscher in Holland haben jetzt einen Datenspeicher auf Basis von Chloratomen entwickelt. Auf der Größe einer Briefmarke könnte man alle Bücher speichern, die die Menschheit je geschrieben hat, prahlen sie. Ein Rastertunnelmikroskop schiebt Nanopartikelchen hin und her schreibt so Einsen und Nullen auf die Super-Diskette. Kleiner Haken dabei: Einen 64-Bit-Block zu Beschreiben dauert zwei Minuten. Und das Verfahren funktioniert nur bei minus 196 Grad Celsius. Das schafft dann doch kein handelsüblicher Gefrierschrank. Also bleibt die Zukunft weiterhin spannend.

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