09. August 2017

Mit der Digitalisierung ist es so eine Sache. Die einen sind zügig in der digitalisierten Welt angekommen. Sie akzeptieren auch schnell, das sich jetzt fast alles vernetzt. Die anderen, denken erst über eine eigene E-Mail-Adresse nach, wenn das teure Fax-Gerät den Geist aufgibt. Doch was bedeutet die digitale Evolution für Unternehmen? Dieser Frage sind wir mit unserer Fachveranstaltung „Digitale Herausforderungen für den Mittelstand“ nachgegangen, die in der vorletzten Woche gut besucht stattfand. Rund 70 Entscheider aus den verschiedensten Branchen informierten sich bei drei Vorträgen über die Entwicklungen. Hier ein Überblick.

Michael Lauk lebt schon digital. Er denkt und plant vernetzt. Der promovierte Physiker ist Gründer und CEO des Medizintechnik-Start-ups Neuroloop in Freiburg. Seit elf Jahren forscht Lauk mit seinen Mitarbeitern daran, wie man mit einem Impuls auf menschliche Nervenstränge zum Beispiel den Blutdruck senken kann. Das Produkt wird frühestens in fünf Jahren auf den Markt kommen. Es schließt eine Lücke, denn kein Arzt weiß, ob sich sein Patient an die verabredete Therapie hält. Das nennt der Mediziner: Adhärenz. Die richtige Diät einhalten. Genügend Sport machen. Morgens, mittags und abends zwei von den roten Pillen, abends die gelbe Kapsel dazu. Kontrolle hat der Arzt nicht. Lauks Erfindung soll das ändern. Sie kann nicht nur Impulse auf den Nerv übertragen, sondern auch Daten aus dem Körper senden. Die Therapie wird so gesichert, ihr Erfolg direkt messbar gemacht.

Das Gesundheitssystem sei krank, sagt Lauk. Es bezahlt den Arzt dafür, dass er Menschen behandelt. Nicht: wie er sie behandelt oder ob er ihnen hilft. „Das wäre so, als wenn Sie in der Autowerkstatt bezahlen müssen, weil man Ihnen Reifen bestellt hat. Völlig egal, ob es die richtigen für Ihr Auto sind oder nicht.“ Mit vernetzter Medizin werde sich das ändern. Vorausgesetzt die 11.000 Krankenkassen in Deutschland lassen zu, dass sie ihre Daten teilen. Und das ist ein Problem.

„Digitalisierung und Vernetzung sind immer auch die Gewährleistung von Datensicherheit und Datenschutz“, sagt denn auch Simon Scheffel, Vertriebsleiter bei badenIT. „Aber das ist nicht alles.“ Wo immense Mengen von Daten produziert werden, kann man diese auch auswerten und mit den Ergebnissen arbeiten.

Wer würde das besser verstehen, als jemand der Bücher macht und verkauft? Roland Grimmelsmann ist Geschäftsführer von Herder, dem Papst-Verlag. Auch das altehrwürdige Haus aus Freiburg kann sich den veränderten Lese- und Nutzungsgewohnheiten seiner Zielgruppe nicht verwehren. „Jede Branche hat ihr 4.0. Auch unsere“, sagt Grimmelsmann. Der Verlag der Gegenwart macht keine Bücher oder Zeitschriften mehr. Er produziert Inhalte. Neudeutsch: Content. Und der wird dann in verschiedenen Medien und Kanälen gestreut, platziert und hoffentlich auch verkauft. Promos über Facebook und Youtube, Apps und E-Books für den Digital Native, Newsletter fürs Büro, Gutes auf Papier für Menschen mit alten Gewohnheiten. Herder hat bereits 14 eigene Apps entwickelt und unters Volk gebracht. Die Bibel-App für junge Christen unterwegs, eine Erzieher-App für den Kindergarten. Grimmelsmanns Rat an alle Unternehmer: „Das wichtigste ist immer, die Mitarbeiter mitzunehmen.“ Es koste Zeit und Geld, Nerven und Gehirnschmalz – aber es muss sein. „Noch sind unsere Apps eine Investition in die Zukunft“, sagt Grimmelsmann. Aber der kulturelle Wandel im Unternehmen – der ist geschafft.

Doch wie das so ist: Keine Chance ohne Risiko. „Rechtliche Fallstricke“ hieß denn auch die Überschrift zum Beitrag von Werner Bachmann. Er ist Partner bei der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen in Freiburg. Die Überschrift muss man sich genau anschauen. Denn ein Fallstrick hat genau einen Zweck: Er soll jemandem Schaden zufügen.

Um sich davor zu schützen, hat man heute dieselben Mittel wie vor hundert Jahren: „Man kann Mindeststandards an Sicherheit definieren und man kann die Haftung begrenzen“, sagt Bachmann. Das wird immer wichtiger. Denn so wie es Firmen gibt, die Autos, Strom oder kleine rote Plastikperlen produzieren, gibt es Firmen, die professionell Daten klauen, um sie gewinnbringend zu verkaufen. Bachmann nennt es: Cybercrime-as-a-Service. „Das ist eine ganz normale Industrie.“ Die anders als der erwähnte Arzt sogar eine Erfolgsgarantie gibt und per Stück bezahlt wird: 10 Dollar für eine geklaute Kreditkartennummer, 20 Dollar für eine digitale Patientenakte.

Künftig können Geschäftsführer und Vorstände sich aber nicht mehr dahinter verstecken, dass es im Unternehmen einen IT-Sicherheitsbeauftragten gibt. Der Gesetzgeber hat Datensicherheit zur Chefsache erklärt. Wessen Unternehmen eine kritische Infrastruktur betreibt – etwa ein Krankenhaus oder Telefonleitungen – der muss ab einer gewissen Größe sogar alle zwei Jahre die Sicherheit seiner IT beweisen. Dabei, so Bachmann, sei das sehr schwierig, weil die Fertigungstiefe in der IT immer weiter sinkt. Von der Installation einfacher Programme bis zum Betrieb des Rechenzentrums werden immer mehr Leistungen outgesourct. „Welches Unternehmen macht denn heute in der IT noch alles selbst?“, fragt Bachmann. Die Antwort: gar keins!

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